Als Unternehmer in Deutschland sind Sie gesetzlich verpflichtet, Mitglied einer Berufsgenossenschaft zu sein. Diese fungiert als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und bietet Ihren Mitarbeitern umfassenden Schutz bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Doch welche der neun gewerblichen Berufsgenossenschaften ist für Ihr Unternehmen zuständig? Dieser ausführliche Leitfaden führt Sie Schritt für Schritt durch den Ermittlungsprozess.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Jedes Unternehmen in Deutschland muss Mitglied einer Berufsgenossenschaft sein, die den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz sicherstellt.
- Schauen Sie als erstes auf Ihre Haupttätigkeit: Der wirtschaftliche Schwerpunkt Ihres Unternehmens bestimmt, welche BG zuständig ist.
- Die DGUV-Hotline unter 0800 6050404 hilft kostenlos bei der Zuordnung – halten Sie dafür eine kurze Beschreibung Ihrer Tätigkeit und wichtige Kennzahlen bereit.
- Bei mehreren Geschäftsfeldern (Mischbetriebe) zählt der Bereich mit dem höchsten Umsatz und den meisten Mitarbeitern.
- Dokumentieren Sie von Anfang an sorgfältig die Zuordnung zu Ihrer BG und informieren Sie diese bei wesentlichen Änderungen der Geschäftstätigkeit.
Schritt 1: Wirtschaftszweig bestimmen
Die Zuordnung zu einer Berufsgenossenschaft erfolgt primär nach dem wirtschaftlichen Schwerpunkt Ihres Unternehmens. Eine präzise Bestimmung Ihres Hauptwirtschaftszweigs ist daher der erste entscheidende Schritt.
So gehen Sie vor:
1. Geschäftstätigkeiten analysieren:
- Erstellen Sie eine detaillierte Liste aller Tätigkeiten Ihres Unternehmens
- Dokumentieren Sie den prozentualen Anteil jeder Tätigkeit am Gesamtumsatz
- Berücksichtigen Sie die Anzahl der Mitarbeiter in den jeweiligen Tätigkeitsbereichen
2. Haupttätigkeit identifizieren:
- Bestimmen Sie den wirtschaftlichen Schwerpunkt anhand des höchsten Umsatzanteils
- Berücksichtigen Sie bei gleichen Umsatzanteilen die Mitarbeiterzahl in den jeweiligen Bereichen
- Dokumentieren Sie die Entscheidungsgrundlage für spätere Nachweise
3. Wirtschaftszweig zuordnen:
- Ordnen Sie Ihre Haupttätigkeit einem der großen Wirtschaftszweige zu
- Beachten Sie dabei auch Untergruppen und Spezialisierungen
- Prüfen Sie, ob es Überschneidungen mit anderen Wirtschaftszweigen gibt
Schritt 2: BG-Zuständigkeit prüfen
Nach der Identifizierung Ihres Wirtschaftszweigs folgt die Zuordnung zur entsprechenden Berufsgenossenschaft. Die folgende detaillierte Übersicht hilft Ihnen bei der ersten Eingrenzung:
Übersicht der Berufsgenossenschaften und ihrer Zuständigkeiten
Berufsgenossenschaft | Zuständigkeit |
---|---|
Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) | Baugewerbe, Bauhandwerk, Bauindustrie |
Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) | Energieversorgung, Textilindustrie, Elektroindustrie, Medienerzeugnisse |
Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) | Groß- und Einzelhandel, Warenlogistik |
Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) | Holzverarbeitung, Möbelindustrie, Metallindustrie |
Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN) | Nahrungsmittelproduktion, Gastronomie, Hotellerie |
Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI) | Chemische Industrie, Rohstoffgewinnung, Bergbau |
Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG) | Verwaltung, Bürotätigkeiten, Dienstleistungen |
Berufsgenossenschaft Verkehrswirtschaft Post-Logistik Telekommunikation (BG Verkehr) | Verkehrswesen, Postdienste, Logistik, Telekommunikation |
Berufsgenossenschaft Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) | Gesundheitswesen, Wohlfahrtspflege, soziale Einrichtungen |
Schritt 3: Konkrete Ermittlung der Zuständigkeit
Nachdem Sie eine potentiell zuständige Berufsgenossenschaft identifiziert haben, gibt es drei bewährte Wege zur endgültigen Klärung. Wir empfehlen, diese Optionen in der angegebenen Reihenfolge zu nutzen:
Option A: DGUV-Hotline nutzen
Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) bietet als Spitzenverband aller Berufsgenossenschaften unter der Rufnummer 0800 6050404 eine kostenlose Beratungshotline an:
1. Vorbereitung des Anrufs:
- Halten Sie eine kurze Beschreibung Ihrer Haupttätigkeit bereit
- Notieren Sie sich relevante Kennzahlen (Mitarbeiterzahl, Umsatzverteilung)
- Bereiten Sie mögliche Fragen zur Unternehmensstruktur vor
2. Während des Gesprächs:
- Schildern Sie Ihre Unternehmenstätigkeit präzise
- Fragen Sie nach der Begründung der Zuordnung
- Lassen Sie sich die Informationen schriftlich bestätigen (z.B. per E-Mail)
Option B: Direkte Anfrage bei der BG
Bei komplexeren Fällen empfiehlt sich der direkte Kontakt:
1. Anfrage vorbereiten:
- Erstellen Sie eine detaillierte Tätigkeitsbeschreibung
- Fügen Sie relevante Unternehmensdaten bei
- Formulieren Sie konkrete Fragen zur Zuständigkeit
2. Kontaktaufnahme:
- Nutzen Sie das offizielle Kontaktformular
- Senden Sie alle relevanten Unterlagen mit
- Bitten Sie um eine schriftliche Bestätigung
Fachkraft für Arbeitssicherheit finden
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Schritt 4: Anmeldung und Dokumentation
Die Anmeldung bei der Berufsgenossenschaft ist ein formaler Prozess, der sorgfältig durchgeführt werden muss. Eine vollständige und korrekte Anmeldung ist nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern bildet auch die Grundlage für einen reibungslosen Start der Mitgliedschaft.
Anmeldeprozess:
1. Unterlagen zusammenstellen:
- Handelsregisterauszug (falls vorhanden)
- Gewerbeanmeldung
- Mitarbeiterdaten
- Umsatzprognose
2. Anmeldung durchführen:
- Online-Anmeldeformular ausfüllen
- Alternativ: Papierformular nutzen
- Alle erforderlichen Nachweise beifügen
3. Dokumentation sichern:
- Anmeldebestätigung archivieren
- Mitgliedsnummer notieren
- Zugangsdaten für Online-Services speichern
Mischbetriebe
Bei Unternehmen mit Aktivitäten in mehreren Branchen stellt sich die Frage nach der zuständigen Berufsgenossenschaft. Entscheidend ist in diesen Fällen der wirtschaftliche Schwerpunkt des Unternehmens.
Die Berufsgenossenschaften ermitteln diesen anhand von zwei Hauptkriterien: der Umsatzverteilung in den verschiedenen Geschäftsbereichen sowie der Verteilung der Mitarbeiterzahlen auf diese Bereiche.
Bei nicht eindeutigen Fällen führt die BG eine individuelle Prüfung durch. Eine sorgfältige Dokumentation der Umsatzverteilung ist daher von Beginn an empfehlenswert und vereinfacht spätere Nachweise.
Änderungen der Geschäftstätigkeit
Umstellungen im Geschäftsmodell oder Erweiterungen des Tätigkeitsfelds können Auswirkungen auf die BG-Zugehörigkeit haben. In solchen Fällen ist eine zeitnahe Information an die zuständige Berufsgenossenschaft erforderlich.
Bei grundlegenden Änderungen des Geschäftsfelds steht häufig eine Neuprüfung der Zuständigkeit an. Die Berufsgenossenschaften setzen hierfür verbindliche Meldefristen.
Die Einhaltung dieser formalen Anforderungen gewährleistet einen lückenlosen Versicherungsschutz.
Die rechtlichen Regeln
Im Unterschied zu anderen Versicherungen besteht bei Berufsgenossenschaften keine freie Wahlmöglichkeit. Die Mitgliedschaft ist gesetzlich vorgeschrieben, die Zuordnung erfolgt nach festgelegten Kriterien.
Diese strikte Regelung dient einem wichtigen Zweck: Sie garantiert einen flächendeckenden und branchenspezifischen Unfallversicherungsschutz für alle Beschäftigten.
Die Berufsgenossenschaften überwachen die Einhaltung dieser Vorschriften und können bei Verstößen Bußgelder verhängen. Die BG-Mitgliedschaft stellt damit einen wesentlichen Baustein im betrieblichen Versicherungsschutz dar.
Alternative Unfallversicherungsträger: Wann ist keine BG zuständig?
Die gesetzliche Unfallversicherung in Deutschland wird nicht ausschließlich von den Berufsgenossenschaften getragen. Je nach Beschäftigungsart und Arbeitgeber können andere Träger für den Versicherungsschutz zuständig sein. Hier erfahren Sie, welche weiteren Unfallversicherungsträger es gibt und wer bei ihnen versichert ist.
Übersicht der Unfallversicherungsträger
1. Unfallkassen der Länder und Kommunen
Die Unfallkassen der Länder und Kommunen sind für den gesamten öffentlichen Dienst auf Landes- und kommunaler Ebene zuständig. Dabei geht ihr Aufgabenbereich weit über klassische Arbeitsverhältnisse hinaus.
Zuständig für:
- Beschäftigte im öffentlichen Dienst der Länder und Kommunen
- Schüler und Studierende
- Kindergartenkinder
- Ehrenamtlich Tätige in kommunalen Einrichtungen
Beispiele für versicherte Personengruppen:
- Lehrer an öffentlichen Schulen
- Verwaltungsangestellte in Rathäusern
- Feuerwehrleute im öffentlichen Dienst
- Beschäftigte in städtischen Kindertagesstätten
- Schüler während des Schulbesuchs und auf dem Schulweg
- Studierende während Universitätsveranstaltungen
2. Unfallversicherung Bund und Bahn
Die Unfallversicherung Bund und Bahn vereint zwei große Bereiche des öffentlichen Sektors unter einem Dach. Sie ist der zentrale Ansprechpartner für alle Bundesbediensteten sowie die Beschäftigten im Eisenbahnwesen.
Zuständig für:
- Bundesbeamte und Bundesbeschäftigte
- Beschäftigte der Deutschen Bahn
- Beschäftigte in Bundesbehörden
- Soldaten und Zivildienstleistende
Konkrete Beispiele:
- Mitarbeiter in Bundesministerien
- Zugführer und Bahnhofspersonal
- Beschäftigte der Bundeswehr
- Mitarbeiter des Zolls
3. Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG)
Die SVLFG nimmt eine Sonderstellung ein, da sie nicht nur die Unfallversicherung, sondern auch andere Sozialversicherungszweige für den grünen Sektor abdeckt. Sie bietet damit eine spezialisierte Versicherungslösung für die besonderen Bedürfnisse der Land- und Forstwirtschaft.
Zuständigkeitsbereich:
- Landwirtschaftliche Unternehmer und deren Familien
- Beschäftigte in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben
- Gärtnereibetriebe und deren Mitarbeiter
- Obstbaubetriebe
Besondere Fälle und Zuständigkeiten
Die Zuordnung zum richtigen Unfallversicherungsträger ist nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich. Besonders bei Mischformen zwischen öffentlicher und privater Trägerschaft bedarf es einer genauen Prüfung.
Öffentlicher Dienst vs. Privatwirtschaft
Wichtige Unterscheidungen:
- Private Schulen → Berufsgenossenschaft
- Öffentliche Schulen → Unfallkasse
- Private Kliniken → BGW
- Öffentliche Krankenhäuser → Unfallkasse
Mischbetriebe und Sonderfälle
- Privatisierte ehemalige Staatsbetriebe → individuelle Prüfung erforderlich
- Public Private Partnerships → Zuständigkeit nach Mehrheitsverhältnissen
- Ausgegründete kommunale Betriebe → meist BG-pflichtig
Entscheidungshilfe und praktische Tipps
Um die korrekte Zuordnung zu gewährleisten, sollten Sie systematisch vorgehen. Die folgenden Kriterien helfen Ihnen bei der Orientierung.
Prüfen Sie folgende Kriterien:
- Rechtsform und Trägerschaft:
- Öffentlich-rechtlich → meist Unfallkasse
- Privatrechtlich → meist Berufsgenossenschaft
- Branche und Tätigkeit:
- Land- und Forstwirtschaft → SVLFG
- Bundeseinrichtungen → Unfallversicherung Bund
- Private Wirtschaft → Berufsgenossenschaft
- Beschäftigungsverhältnis:
- Öffentlicher Dienst → jeweilige Unfallkasse
- Privatwirtschaft → zuständige BG
- Landwirtschaft → SVLFG
Wichtige Hinweise für die Praxis
Im täglichen Umgang mit den Unfallversicherungsträgern sind einige grundlegende Aspekte zu beachten. Eine sorgfältige Dokumentation und regelmäßige Überprüfung der Zuständigkeit sind dabei besonders wichtig.
Beachten Sie:
- Lassen Sie sich die Zuständigkeit schriftlich bestätigen
- Informieren Sie den Unfallversicherungsträger über relevante Änderungen
- Dokumentieren Sie alle wichtigen Unterlagen und Kommunikation
- Prüfen Sie die Zuständigkeit bei Unternehmensänderungen neu
Bei Unsicherheiten empfiehlt sich immer die Kontaktaufnahme mit der DGUV-Infoline oder einer fachkundigen Beratungsstelle. Diese können Ihnen bei der korrekten Zuordnung helfen und weitere Fragen klären.
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Fazit und nächste Schritte
Die Ermittlung der zuständigen Berufsgenossenschaft ist ein wichtiger Schritt für jedes Unternehmen in Deutschland. Durch die systematische Vorgehensweise nach diesem Leitfaden können Sie die korrekte Zuordnung sicherstellen und Ihre gesetzlichen Pflichten erfüllen. Beachten Sie dabei:
1. Nehmen Sie sich ausreichend Zeit für die sorgfältige Ermittlung
2. Dokumentieren Sie alle Schritte und Entscheidungen
3. Holen Sie im Zweifelsfall professionelle Unterstützung ein
Bei Fragen oder Unsicherheiten nutzen Sie am besten die kostenlose DGUV-Hotline – dort erhalten Sie verbindliche Auskünfte zur Zuständigkeit und können alle offenen Fragen klären.
Häufig gestellte Fragen
Wie finde ich die zuständige Berufsgenossenschaft für mein Unternehmen?
Die Zuordnung erfolgt nach dem wirtschaftlichen Schwerpunkt des Unternehmens. Als erster Schritt empfiehlt sich ein Blick in die BG-Übersicht nach Branchen. Bei Unsicherheit bietet die kostenlose DGUV-Hotline eine verbindliche Auskunft. Alternativ kann die vermutlich zuständige Berufsgenossenschaft direkt kontaktiert werden.
Was passiert bei verspäteter oder unterlassener Anmeldung zur BG?
Eine verspätete oder unterlassene Anmeldung kann erhebliche Folgen haben. Neben der Nachzahlung der Beiträge drohen Bußgelder. Die Berufsgenossenschaften können rückwirkende Beiträge für bis zu vier Jahre einfordern. In schweren Fällen oder bei vorsätzlichem Handeln sind auch strafrechtliche Konsequenzen möglich.
Welche Unterlagen werden für die Anmeldung bei der BG benötigt?
Für die Anmeldung sind grundsätzlich der Handelsregisterauszug (falls vorhanden), die Gewerbeanmeldung, Angaben zur Mitarbeiterzahl sowie eine Beschreibung der Unternehmenstätigkeit erforderlich. Zusätzlich wird meist eine Umsatzprognose verlangt. Die genauen Anforderungen können je nach Berufsgenossenschaft variieren.
Was muss bei einem Wechsel der Geschäftstätigkeit beachtet werden?
Bei wesentlichen Änderungen der Geschäftstätigkeit muss die Berufsgenossenschaft informiert werden. Dies kann eine Neuprüfung der Zuständigkeit erforderlich machen. Wichtig ist die Einhaltung der Meldefristen. Die bisherige BG bleibt bis zur Klärung einer eventuell neuen Zuständigkeit weiter verantwortlich.
Wer ist bei der Berufsgenossenschaft versichert?
Der Versicherungsschutz erstreckt sich automatisch auf alle Beschäftigten des Unternehmens, unabhängig von Art und Umfang der Tätigkeit. Dies gilt auch für Auszubildende und Praktikanten. Geschäftsführer und Inhaber sind in der Regel nicht automatisch versichert, können sich aber freiwillig versichern.