Berufsgenossenschaften bieten weit mehr als nur Schutz bei Arbeitsunfällen. In diesem Artikel erfahren Sie, wie Berufsgenossenschaften Sie bei der Arbeitssicherheit unterstützen, was es bei der Mitgliedschaft zu beachten gibt und wie branchenspezifische Anforderungen gemeistert werden können.
Das Wichtigste auf einen Blick
- Berufsgenossenschaften (kurz BG) sind Träger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland.
- Sie sind zuständig für die Entschädigung bei Arbeitsunfällen, umfassende medizinische Rehabilitation und die Förderung von Unfallverhütung und Sicherheit am Arbeitsplatz.
- Die Mitgliedschaft in einer Berufsgenossenschaft ist für Unternehmen gesetzlich vorgeschrieben.
- Die Berufsgenossenschaften werden nach Branchen sortiert und sind entweder gewerblich oder landwirtschaftlich organisiert.
- Nach der Gründung Ihres Unternehmens haben Sie nur eine Woche Zeit, um sich bei der für Ihr Unternehmen zuständigen BG zu melden.
- Technische Aufsichtsbeamte sind „Außendienstmitarbeiter:innen“ der BGs, die Ihren Betrieb besichtigen, Sie beraten und auf die Einhaltung der einschlägigen Gesetze und sonstigen rechtlichen Vorgaben achten.
- Die Berufsgenossenschaft finanziert sich nur über die Beiträge ihrer Mitglieder. Die Höhe der Mitgliedsbeiträge setzen sich aus den Lohnsummen der versicherten Arbeitgeber:innen sowie der Anzahl und Schwere der potentiellen Unfälle zusammen.
Die Bedeutung der Berufsgenossenschaft
Berufsgenossenschaften, kurz BG, sind Träger und Trägerinnen der gesetzlichen Unfallversicherung. Das sagt der § 114 SGB VII.
Die Hauptaufgabe der Berufsgenossenschaft liegt in der Sensibilisierung von Unternehmen und Beschäftigten für Themen rund um Arbeits- und Wegeunfälle, Berufskrankheiten sowie arbeitsbezogene Gesundheitsrisiken.
Im Schadensfall ist sie dafür zuständig, Unternehmen und Arbeitnehmer:innen zu entschädigen. Sie organisiert Schulungen für Betriebsärzt:innen und Fachkräfte für Arbeitssicherheit in eigenen Bildungseinrichtungen, um präventiv gegen Arbeitsunfälle vorzugehen.
Im Falle eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit bietet die Berufsgenossenschaft umfassende medizinische Rehabilitation und Verletztengeld an. Bei bleibenden gesundheitlichen Schäden ermöglicht die Berufsgenossenschaft eine Verletztenrente. Voraussetzung hierfür ist eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 Prozent, die durch ein medizinisches Gutachten festgestellt werden muss.
Berufsgenossenschaften ermitteln
Die Berufsgenossenschaften werden nach Branchen sortiert.
Eine Berufsgenossenschaft ist entweder gewerblich oder landwirtschaftlich organisiert.
Nach dem Sozialgesetzbuch SGB VII sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften für alle Betriebe, Einrichtungen und Freiberufler:innen zuständig, soweit sich nicht eine Zuständigkeit der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften oder der Unfallversicherungsträger und -trägerinnen der öffentlichen Hand ergibt. Für Existenzgründer:innen ist also meistens eine gewerbliche Berufsgenossenschaft zuständig.
Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaften
Ob ausnahmsweise die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig sind, kann durch einen einfachen Blick in die folgende Auflistung herausgefunden werden:
- Das Unternehmen ist landwirtschaftlich, wenn es sich dabei um ein Unternehmen
- der Land- und Forstwirtschaft, einschließlich des Garten- und Weinbaues, der Fischzucht, Teichwirtschaft, Seen-, Bach- und Flussfischerei (Binnenfischerei), der Imkerei sowie der den Zielen des Natur- und Umweltschutzes dienenden Landschaftspflege,
- ohne Bodenbewirtschaftung Nutz- oder Zuchttiere zum Zwecke der Aufzucht, der Mast oder der Gewinnung tierischer Produkte gehalten werden,
- land- und forstwirtschaftliche Lohnunternehmen,
- Park- und Gartenpflege sowie Friedhöfe
- Jagden,
- oder um
- die Landwirtschaftskammern und die Berufsverbände der Landwirtschaft,
- die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau und deren weitere Einrichtungen handelt
- sowie die Zusatzversorgungskasse und das Zusatzversorgungswerk für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft.
Gewerbliche Berufsgenossenschaften
Die gewerbliche Berufsgenossenschaft ist dann zuständig, sofern keine spezielle Zuständigkeit der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften gegeben ist.
Um ganz sicherzugehen, hilft es auch das Gesetz aufzuschlagen. Anlage 1 zu §114 SGB VII listet nämlich auf, welche Berufsgenossenschaften gewerblich sind. Wenn Ihr Unternehmen also einem der dort benannten Bereiche entspringt, ist für Sie die gewerbliche Berufsgenossenschaft zuständig.
Liste der gewerblichen Berufsgenossenschaften
- Rohstoffe und chemische Industrie (BG RCI)
- Holz und Metall (BG HM)
- Energie Textil Elektro-Medienerzeugnisse (BG ETEM)
- Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN)
- Bauwirtschaft (BG Bau)
- Handel und Warenlogistik (BG HW)
- Verwaltung (BG VBG)
- Verkehrswirtschaft, Post-Logistik, Telekommunikation (BG Verkehr)
- Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW)
Beratung durch die DGUV
Für jedes Unternehmen ist exakt eine einzige Berufsgenossenschaft zuständig. Soweit Sie in verschiedenen Branchen tätig sind, kann die Suche nach der richtigen Berufsgenossenschaft schwierig sein. In diesen Fällen können sich Arbeitgeber:innen einfach direkt beim Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, melden. Gemeinsam finden sie die zuständige Berufsgenossenschaft, die dem Schwerpunkt Ihrer Geschäftstätigkeit entspricht.
Arbeitgeber:innenpflichten gegenüber der BG
Meldepflicht
Jedes neue Unternehmen muss bei der zuständigen Berufsgenossenschaft angemeldet werden. Das geht aus dem § 192 SGB VII hervor.
Ausnahmen bestehen für Freiberufler:innen, Sie haben grundsätzlich die Wahl, ob Sie sich bei der Berufsgenossenschaft versichern wollen oder nicht. Jedoch bestehen Gegenausnahmen für das eine oder andere Berufsfeld. So müssen sich Freiberufler:innen in den Berufsfeldern Physiotherapie, Fotografie und Grafikdesign bei der zuständigen Berufsgenossenschaft anmelden. Es besteht eine Versicherungspflicht.
Antragstellung
Die Meldepflicht gilt als erfüllt, wenn für Ihr Unternehmen eine Gewerbeanmeldung erstattet wurde oder Sie sich selbst persönlich bei Ihrer zuständigen Berufsgenossenschaft gemeldet haben. Dazu sogleich mehr.
Und das so schnell wie möglich: Nach der Gründung Ihres Unternehmens haben Sie nur eine Woche Zeit, um sich bei der für Ihr Unternehmen zuständigen Berufsgenossenschaft zu melden. Kommen Sie dieser gesetzlichen Pflicht nicht oder erst verspätet nach, begehen Sie eine Ordnungswidrigkeit und müssen mit Bußgeldern bis zu 25.000 Euro rechnen.
Ernennung von Aufsichtspersonen
Aufsichtspersonen, auch Technische Aufsichtsbeamte genannt, bilden die Brücke zwischen Ihnen als Unternehmer:in und der für Sie zuständigen Berufsgenossenschaft. Die Aufsichtspersonen kann man sich als Art „Außendienstmitarbeiter:innen“ der Berufsgenossenschaften vorstellen, die die Mitglieder der Berufsgenossenschaften besichtigen, beraten und auf die Einhaltung der einschlägigen Gesetze und sonstigen rechtlichen Vorgaben achten.
Auch Sie können als Aufsichtsperson für Ihr eigenes Unternehmen tätig werden. Voraussetzung hierfür ist, dass Sie in Vorbereitung auf Ihre Aufgaben eine Prüfung ablegen, um Ihre Befähigung für die Tätigkeit als Aufsichtsperson nachzuweisen. Die Prüfung legen Sie vor Ihrer Berufsgenossenschaft ab.
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Organisation und Struktur
Rechtsform
Die Berufsgenossenschaften sind Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung, was bedeutet, dass sie ihre eigenen Entscheidungen treffen und verwalten können.
Organe
Die Berufsgenossenschaften verfügen über drei Organe: der oder die Geschäftsführer:in, die Vertreterversammlung und der Vorstand.
Die Geschäftsführer:in
Das erste Organ jeder Berufsgenossenschaft sind die hauptamtlich tätigen Geschäftsführer:innen. Sie leiten unter Aufsicht und nach Weisung des Vorstands die laufenden Verwaltungsgeschäfte. Bei einigen Berufsgenossenschaften werden die laufenden Verwaltungsgeschäfte von einer dreiköpfigen Geschäftsführung mit einem aus deren Mitte gewählten Vorsitzenden geführt.
Die Vertreterversammlung
Die Vertreterversammlung setzt die Satzung fest, erstellt Unfallverhütungsvorschriften und stellt den Haushaltsplan auf. Wegen dieser Aufgaben wird die Vertreterversammlung auch als „Parlament“ der Berufsgenossenschaft bezeichnet.
Die Vertreterversammlung setzt sich gleichermaßen aus Vertreter:innen der Unternehmensführung und Vertreter:innen der versicherten Beschäftigten zusammen. Arbeitgeber:innen- und Arbeitnehmer:innenvertreter sind in der Vertreterversammlung ehrenamtlich tätig.
Die Mitglieder der Vertreterversammlungen werden alle sechs Jahre durch sogenannte Friedenswahlen bestimmt: Arbeitgeber- und Beschäftigtenseite legen Listen mit Wahlvorschlägen vor. Die dort genannten Personen gelten als gewählt.
Der Vorstand
Die Vertreterversammlung wählt den Vorstand. Der Vorstand ist die Verwaltungsspitze – die „Regierung“ – der Berufsgenossenschaft. Sie vertritt die BG nach außen. Ebenso wie die Vertreterversammlung ist auch er gleichermaßen mit Arbeitgeber:innen- und Arbeitnehmer:innenvertretern besetzt.
Staatliche Aufsicht
Die Berufsgenossenschaften unterliegen der staatlichen Aufsicht. Die Aufsichtsbehörden – das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wachen darüber, dass die Berufsgenossenschaften sich an Recht und Gesetz halten, ihre gesetzlich vorgegebenen Aufgaben ordnungsgemäß erfüllen und ihre Kompetenzen nicht überschreiten.
Mitgliedschaft und Beiträge
Die Berufsgenossenschaft finanziert sich nur über die Beiträge ihrer Mitglieder, die von den Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen gezahlt werden. Wie hoch die Mitgliedsbeiträge sind, kann erst so richtig nach Ablauf eines Geschäftsjahres festgestellt werden, wenn der genaue Finanzbedarf der jeweiligen Berufsgenossenschaft vorliegt.
Berechnung der Beiträge
Die Höhe der Beiträge setzt sich aus zwei Faktoren zusammen:
- Lohnsummen der versicherten Arbeitgeber:innen, die sogenannte Entgeltsumme: Auf das Jahr betrachtet, sodass Sie der Berufsgenossenschaft nicht jede Entlassung und Neuanstellung melden müssen
- Anzahl und Schwere der Arbeitsunfälle: Durchschnittliche Unfallgefahr in Ihrem Branchen-Schwerpunkt, aus der sich die Gefahrenklasse ergibt. Anders gesagt: Das Risiko für einen Arbeitsunfall ist beim Lagermitarbeiter oder der Lagermitarbeiterin höher als bei den Sachbearbeiter:innen im Büro.
Zusätzlich kommt es gelegentlich vor, dass Berufsgenossenschaften je nach Schadensentwicklung Beitragsnachlässe oder -aufschläge gewähren oder erheben. Dadurch sollen Arbeitgeber:innen dazu bewegt werden, die Arbeitssicherheit in ihrem Betrieb langfristig zu verbessern.
Berufsgenossenschaft in der digitalen Transformation
Die digitale Transformation verändert die Art und Weise, wie wir arbeiten, und stellt neue Herausforderungen an die Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Berufsgenossenschaften spielen eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung dieser Herausforderungen.
Berufsgenossenschaften befassen sich mit aktuellen Trends in der Arbeitswelt und thematisieren Chancen und Risiken der Digitalisierung, beispielsweise durch den Einsatz kollaborativer Roboter oder die Nutzung von Apps zur Sicherheitsprüfung. Sie fördern auch den modernen Kompetenzerwerb und unterstützen neue Lehr- und Lernmethoden, wie Online-Foren und die Nutzung virtueller Arbeitsumgebungen für Training und Lehre.
Die BG: ein Mehrwert für Ihr Unternehmen
Als Kopf Ihres Unternehmens haben Sie ihre Finanzen stets gut im Blick. Da können die Beiträge, die Sie für die Berufsgenossenschaft aufwenden, schnell als lästig empfunden werden. Aber wir versichern Ihnen, dass das Geld in Ihrer Berufsgenossenschaft gut angelegt ist. Denn Berufsgenossenschaften erleichtern Ihnen den Unternehmensalltag und bringen einen Mehrwert für Ihr Unternehmen.
Mit der Berufsgenossenschaft können Sie nur doppelt gewinnen. Sie schaffen sowohl einen Mehrwert für die Mitarbeiter:innen als auch für das Unternehmen an sich: Die Kooperation mit der Berufsgenossenschaft ist ein klarer Gewinn für Ihr Unternehmen und Ihre Beschäftigten. Sie hilft nicht nur, Arbeitsunfälle zu vermeiden, die neben menschlichem Leid auch Zeitverlust, finanzielle Einbußen und negative Auswirkungen auf das Betriebsklima mit sich bringen, sondern stärkt auch Ihre Position als attraktive Arbeitgeber:in. Ein gesundes Arbeitsumfeld ist ein entscheidender Faktor für die Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen. Die Investition in die Berufsgenossenschaft zahlt sich durch die Vorteile, die sie bietet, mehrfach aus und macht die Anmeldung zu einer effizienten, wirtschaftlichen und lohnenswerten Entscheidung für Ihr Unternehmen.
Berufsgenossenschaften erleichtern Ihnen den Unternehmensalltag
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Häufig gestellte Fragen
Was genau ist die Berufsgenossenschaft?
Die Berufsgenossenschaft ist Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und versichert Berufstätige gegen die Folgen von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Sie ist auch für die Verhütung von Unfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren zuständig.
Wer sind die Träger:innen der gesetzlichen Unfallversicherungen?
Die Träger:innen der gesetzlichen Unfallversicherungen sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften, die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft sowie die Versicherungsträger:innen der öffentlichen Hand, wie Unfallkassen und Gemeindeunfallversicherungsverbände.
Wer muss in der Berufsgenossenschaft sein?
Alle Beschäftigten eines Unternehmens müssen in der Berufsgenossenschaft sein, um den gesetzlichen Unfallschutz zu genießen. Jedes Unternehmen der Branche muss laut Gesetz Mitglied der entsprechenden Berufsgenossenschaft sein.
Wer zahlt in die BG ein?
Die Berufsgenossenschaft wird ausschließlich durch die Beiträge der Unternehmen finanziert.
Wie ist die Berufsgenossenschaft organisiert?
Die Berufsgenossenschaften verfügen über drei Organe: der oder die Geschäftsführer:in, die Vertreterversammlung und der Vorstand.